Inhalt
„Liebe, Porno, Sex – was geht?“ Ein sexualpädagogisches Projekt im Jugendarrest
SettingSonstige
ZielgruppeJugendliche
Menschen mit Drogen-/Suchtproblemen
Ort/LandRastatt, (BW)
Jahr2016
ProjektträgerLandratsamt Rastatt – Gesundheitsamt
ProjektleitungEva-Christiane Pantke-Ehlers
+49 (0)7222 381 2314




„Liebe, Porno, Sex – was geht?“ Ein sexualpädagogisches Projekt im Jugendarrest
Vermittlung sexualpädagogischer Inhalte zur Förderung sozialer Kompetenzen von JugendarrestantInnen
Im Rahmen eines Modulkonzeptes des Jugendarrestes zur Förderung sozialer Kompetenzen fanden seit 2010 einmal im Monat zweistündige Veranstaltungen für ArrestantInnen zu den Themen HIV, Verhütung, Liebe und Sexualität statt. Diese wurden von der AIDS-Hilfe und dem Gesundheitsamt durchgeführt. Daraus entwickelte sich im Jahr 2012 in Kooperation mit weiteren Fachleuten das mehrtägige sexualpädagogische Projekt „Liebe, Porno, Sex – was geht?“ für Gruppen. Dieses findet zweimal im Jahr statt und erreicht pro Einheit etwa 10 Jugendliche vor Ort. Das Projekt bietet eine gute Möglichkeit, Information, Orientierung und Impulse zu sexualpädagogisch relevanten Inhalten und zum emotionalen Erleben zu geben. Zudem soll die Hemmschwelle gegenüber Beratungsstellen gesenkt werden. Weiteres Ziel ist die Hoffnung, diese Jugendlichen als Multiplikatoren zu gewinnen, indem sie die intensiv vermittelten Inhalte in ihre Peer-Gruppe weitertragen und durch die selbst gestalteten Poster auch im Jugendarrest verankern.
„Das Projekt bietet eine gute Möglichkeit, Information, Orientierung und Impulse zu sexualpädagogisch relevanten Inhalten und zum emotionalen Erleben zu geben sowie die Hemmschwelle gegenüber Beratungsstellen zu senken.“
Was hat Sie dazu bewogen, dieses Projekt zu initiieren?
Eva-Christiane Pantke-Ehlers: Die jugendlichen Insassen sind ein Klientel, das zumeist wenig von allgemeinen gesundheitsförderlichen und sexualpädagogischen Maßnahmen erreicht wird, seine Informationen überwiegend einseitig und entemotionalisierend aus dem „Netz“ bezieht, Beratungsstellen selten aufsucht und soziale Bezugspunkte hat, die selten positive, stabilisierende Orientierungsmöglichkeiten bieten. Auf der anderen Seite fallen bei diesen Jugendlichen eine Diskrepanz zwischen psychischer und sexueller Pseudoentwicklung, Traumatisierungen, unsichere Bindungserfahrungen, Wissensdefizite in Bezug auf den eigenen Körper, Probleme in der Beziehungs- und Empathiefähigkeit auf. Diese machen sie besonders anfällig für Teenagerschwangerschaften, (sexuelle) Grenzverletzungen, geringes Schutzverhalten gegenüber sexuell übertragbaren Infektionen, Selbstwertverunsicherungen, Beziehungsproblemen. Wir sahen in diesem Projekt eine gute Möglichkeit dem entgegenzuwirken und positive Impulse zu setzen.
Was möchten Sie mit Ihrem Projekt erreichen?
Eva-Christiane Pantke-Ehlers: Unterschiedliche ExpertInnen arbeiten intensiv mit einer Gruppe von rund 10 ArrestantIinnen über zwei Tage zu sexualpädagogischen Themen. Ziele sind Information und Orientierung zum Thema sexuelle Gesundheit, emotionales Erleben, Beziehung, sexuelle Vielfalt zu geben sowie Risikofaktoren (sexueller) Gewalt zu vermindern und protektive Faktoren wie Empathie, Stärkung von Selbstwert, Selbstliebe, Selbstfürsorge, Selbstwirksamkeit zu fördern. Der Zugang zu Beratungsstellen soll erleichtert, durch Gruppenarbeit der Erwerb von Sozialkompetenzen angestoßen werden. Die Jugendlichen sollen motiviert werden, ihr Wissen und Erfahrenes an die Peergroup weiterzugeben; diskriminierende Tendenzen gegenüber sexueller Vielfalt sollen reduziert werden.
Wie gehen Sie dabei konkret vor?
Eva-Christiane Pantke-Ehlers: Das Projekt beinhaltet mehrere Projektschritte, bei denen die Projektdurchführenden und das Personal der Jugendarrestanstalt für die sexualpädagogische Thematik und das Projekt sensibilisiert und geschult werden. Wichtig ist dabei, die Lebenswelten der KlientInnen zu berücksichtigen. In mehreren Modulen zu verschiedenen Themen nehmen die Jugendlichen aktiv teil. Ergebnisse werden als Poster gestaltet, im Jugendarrest aufgehängt und so anderen Jugendlichen zugänglich gemacht. Methodisch umgesetzt werden die Module durch ein multiprofessionelles Team mit verschiedensten Methoden. Mit Urkunden als „SexpertIn“ und mit einer Präventionsbotschaft bedruckten T-Shirts soll das Selbstwertgefühl gestärkt werden.
Wie finanziert sich das Projekt?
Eva-Christiane Pantke-Ehlers: Das Projekt finanziert sich aus den Etats der beteiligten Institutionen, die ihre MitarbeiterInnen für das Erreichen der Projektziele entsprechend freistellen. Die Projektleitung und Finanzierung der Mittel wie Material, Honorarkosten liegt im Wesentlichen beim Landratsamt – Gesundheitsamt.
Wie wird das Projekt von den Betroffenen angenommen?
Eva-Christiane Pantke-Ehlers: Das Projekt hat sich zu einem wichtigen und anerkannten Bestandteil des Modulkonzeptes entwickelt. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass diese Form der pädagogischen Arbeit sinnvoll ist und Zugang zu einem sonst schwer erreichbaren Klientel bietet. Unter den bestehenden Bedingungen ist davon auszugehen, dass Impulse gesetzt werden, Prozesse und Veränderungspotenziale angestoßen werden können und Toleranz gegenüber anderen Sichtweisen gestärkt werden kann.
PechaKucha-Präsentation im Rahmen des IBK-Studientags für Gesundheitsförderung und Prävention am 20. April 2016