Inhalt
Gegen die Mauer des Schweigens
SettingSonstige
ZielgruppeSonstige
Ort/LandGarmisch-Partenkirchen, (B)
Jahr2001
ProjektträgerKatholisches Kreisbildungswerk e.V.
→ Link zum Projekt ProjektleitungMatthias Kratz
+49 (0)8821 58501
Gegen die Mauer des Schweigens
Suizidnachsorge für Angehörige und Suizidprävention
Selbsttötung ist ein Tabu – obwohl bekannt ist, dass gerade jüngere Menschen überdurchschnittlich suizidgefährdet sind und obwohl ein Suizid die Angehörigen oft mit Gefühlen von Angst, Schuld und Hilflosigkeit zurücklässt. Eine Ausstellung in der katholischen Kirche von Garmisch-Partenkirchen und vertiefende Begleitveranstaltungen haben das Thema aufgegriffen und damit Türen geöffnet. Das Medieninteresse spricht für sich.
Ab Herbst 1999 wurden lokale Partner für das Projekt gewonnen:
- Pfarrei Maria Himmelfahrt in Garmisch-Partenkirchen (Pfarrgemeinderat)
- Caritas-Kreisverband mit Lebens- und Erziehungsberatungsstelle
- Kriminalpolizei Garmisch-Partenkirchen
- Hospizverein Werdenfels e.V.
- Psychiatrische Klinik des Bezirks Oberbayern am Klinikum Garmisch-Partenkirchen
- Evangelische Kirchengemeinde Garmisch-Partenkirchen
- AGUS e.V. (Angehörige um Suizid), Bayreuth – Eigentümer der Ausstellung «Gegen die Mauer des Schweigens»
Der Tod durch Selbsttötung/Suizid ist eine der häufigsten Todesursachen jährlich in Deutschland (ca. 12 000 im Jahr 1999). Trotzdem wird das Thema Suizid in der Öffentlichkeit in dieser Deutlichkeit kaum wahrgenommen. Für die betroffenen Angehörigen bedeutet ein Suizid eine tiefe Lebenskrise, die existentielle Fragen des Lebens neu aktualisiert und oftmals mit einem Gefühl von Angst, Schuld und Hilflosigkeit verbunden ist. Mit Blick auf die Altersverteilung wird deutlich, dass insbesondere junge Menschen suizidgefährdet sind, so dass einer wirkungsvollen Suizidprävention grosse Bedeutung zukommt.
- Suizid als gesellschaftliche Realität darstellen und öffentlich machen
- Betroffenen, d.h. Angehörigen nach einem Suizid Gesprächsmöglichkeit und konkrete Hilfsangebote zugänglich machen
- Suizidgefährdung im Kontext konkreter Lebenssituationen darstellen und Handlungsmöglichkeiten im Sinne einer Prävention darstellen
Diese Ziele wurden in Gesprächen mit den beteiligten Projektpartnern diskutiert. Die Entscheidung, die Ausstellung «Gegen die Mauer des Schweigens» erstmals in einer katholischen Kirche zu zeigen, wurde sehr bewusst getroffen, weil:
- seitens der Kirche ein Zeichen gesetzt werden sollte, dass im konkreten Raum der Kirche das lange verdrängte Thema Suizid einen Platz bekommen kann und soll;
- der ruhige Raum der Kirche die Möglichkeit bietet, diese Ausstellung in ruhiger Atmosphäre, einem Raum der Geborgenheit, anzuschauen und sich damit auseinanderzusetzen.
Die verschiedenen Veranstaltungen waren so konzipiert, dass sie sowohl dem Bedürfnis nach Information, wie auch dem Bedürfnis nach Gespräch Rechnung trugen. Eine sehr offensive Öffentlichkeitsarbeit sollte erreichen, dass über Suizid im öffentlichen Raum ein offenes Gespräch zustande kommt.
Die Ausstellung «Gegen die Mauer des Schweigens» wurde in der Kirche Maria Himmelfahrt in Partenkirchen präsentiert. Damit war diese Ausstellung erstmals in einer katholischen Kirche in Deutschland zu sehen. Aus Platzgründen konnte lediglich ein Teil der Ausstellung, insbesondere die thematischen Tafeln, gezeigt werden. Die Ausstellung war in der Kirche während des ganzen Tages zugänglich, sowie selbstverständlich während der Gottesdienste in diesen 10 Tagen für die Besucher zu sehen.
Zur Eröffnung der Ausstellung wurden Vertreter der Schulen, der Landkreis- und Gemeindepolitik, Vertreter der Kirchen, der sozialen Einrichtungen, der Beratungsdienste, Ärzte sowie Psychotherapeuten eingeladen. So konnte an dem Eröffnungsabend ca. 30 Multiplikatoren das Anliegen dieser Veranstaltungsreihe vorgestellt werden.
Der erste Gesprächsabend unter dem Thema «Weiterleben. Nach dem Suizid eines nahen Menschen» wurde von Mitarbeiterinnen von Arche e.V. in München gestaltet. Etwa 20 Teilnehmer kamen zu diesem Abend, der sehr stark auf die Situation von Angehörigen nach einem Suizid abzielte und hier Raum für gemeinsames Gespräch bot.
Der zweite Abend «Depression – Krankheitsbild und Behandlungsmöglichkeiten » wurde von dem Ärztlichen Direktor der psychiatrischen Klinik, Dr. Josef Scherer, gestaltet. Aufgrund der grossen Resonanz, etwa 140 Frauen und Männer waren gekommen, wurden hier insbesondere Informationen über das Krankheitsbild und die Behandlungsmöglichkeiten bei Depressionen gegeben.
Die spirituelle und religiöse Fragestellung in diesem Themenkomplex wurde mit dem Abend «Das Leben verlieren – Über den Halt im Leben» mit Pfarrer Elmar Gruber aus München behandelt. Rund 100 Teilnehmer waren gekommen um hier aus den Erfahrungen von Pfarrer Elmar Gruber Antworten zur Hilfe in verzweifelten Lebenslagen zu bekommen.
Mit dem Arzt Ulrich Paggen wurden am letzten Ausstellungstag zwei Veranstaltungen durchgeführt. Zum einen wurden im internen Kreis am Nachmittag 40 Lehrer von allen Schulen des Landkreises eingeladen. Nach einem Einstieg mit dem Videofilm «Bittere Tränen» (von Yola L. Grimm, MediaEdition, München) erfuhren die Lehrer, in welcher Weise eine Suizidgefährdung bei Jugendlichen erkennbar werden kann, welche Signale eine erhöhte Aufmerksamkeit bei Lehrerinnen und Lehrern auslösen sollte und wie dann eine adäquate Reaktion aussehen kann. In gleicher Weise wurde dieses Thema nochmals vor 40 Besuchern am Abend dargestellt und vor allem interessierten Eltern nahegebracht, inwieweit in einem vertrauten Umfeld auf eine Suizidankündigung, versteckt oder offen, reagiert werden kann.
Die Zahl der Besucher in der Ausstellung kann nur grob geschätzt werden. Wir gehen jedoch davon aus, dass während der täglichen Öffnungszeiten insgesamt ca. 400 Personen die Ausstellung besucht haben. Hinzu kommen die Besucher der Gottesdienste in dieser Zeit, die mehr oder weniger intensiv die Ausstellung wahrgenommen haben. Von Seiten der örtlichen Presse wurden die Ausstellung und die Veranstaltungen sehr ausführlich begleitet und in mehreren Artikeln darüber berichtet. Eine konkrete «Wirkung» des Projektes lässt sich nicht beschreiben. Allerdings wissen wir aus vielen persönlichen Gesprächen, dass dieses Projekt sehr positiv wahrgenommen und als hilfreich geschätzt wurde. Auch die Eintragungen in dem während der Ausstellung ausgelegten Gästebuch zeigen deutlich, wie sehr dieses Thema viele Menschen berührt hat. Aus unserer Sicht war sowohl die Ausstellung als auch das Begleitprogramm sehr geeignet, dem Thema Suizid neuen Raum zu geben und der «Mauer des Schweigens» Durchbrüche zu verschaffen und dabei den Raum der Kirche für das Thema Suizid zu öffnen. Überdies ist es gelungen, die kompetenten Hilfsstellen vor Ort wie auch in München bekanntzumachen.